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Kriegsspiele während Pandemie: Bundeswehr setzt Manöver fort

junge Welt vom 2.5.’20:
Laut Bundesregierung bis Juli Dutzende Übungen geplant.
Die Linke fordert sofortiges Ende
Von Kristian Stemmler

Das NATO-Manöver »Defender Europe 2020« ist wegen der Coronapandemie zwar weitgehend eingestellt worden – die Bundeswehr übt aber trotz Infektionsgefahr fleißig weiter für den nächsten Kampfeinsatz. Das geht aus einer Aufstellung des Bundesverteidigungsministeriums hervor, die junge Welt vorliegt. In seiner Antwort auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Kathrin Vogler (Die Linke), friedenspolitische Sprecherin ihrer Fraktion, listet das Ministerium für den Zeitraum von Ende Februar bis Ende Juni 33 Übungen und Manöver auf.

»Der Biergarten bleibt geschlossen, aber die Bundeswehr simuliert den Normalzustand«, erklärte dazu Vogler am Donnerstag gegenüber jW. Hier werde »auf schändliche Art mit der Gesundheit der Soldatinnen und Soldaten gespielt, aber auch mit dem Risiko, als Brandbeschleuniger einer Pandemie zu dienen«. Während die Zivilbevölkerung seit Wochen mit Einschränkungen leben müsse, scheine in der Bundeswehr »das Bewusstsein für die Übertragungsrisiken wenig ausgeprägt zu sein«. Die Liste enthält Ausbildungs- und Übungsvorhaben zum Beispiel der Division Schnelle Kräfte im bayerischen Hammelburg und des Transporthubschrauberregiments 10 im niedersächsischen Faßberg. Vogler kritisierte, die Aufstellung sei »offensichtlich unvollständig«.

So unterschlage das Ministerium mehrere Manöver in Ostdeutschland mit Hunderten von Soldaten, die bereits in Medienberichten oder Mitteilungsblättern von Gemeinden aufgeführt worden seien. Im »Militärischen Sicherheitsbereich Annaburger Heide« in Sachsen-Anhalt habe von Mitte bis Ende April an mehreren Tagen ein »Schießen im freien Gelände« stattgefunden, das nicht aufgeführt sei, so die Abgeordnete.

Keine Erwähnung fände etwa auch eine Übung der Bundeswehr aus dem baden-württembergischen Pfullendorf (Landkreis Sigmaringen). Aus einem Mitteilungsblatt der benachbarten Gemeinde Wilhelmsdorf gehe hervor, dass rund 60 Soldaten in der Gegend vom 4. bis zum 7. Mai eine Übung absolvieren sollen. Geplante Aktivitäten: »viertägige Ausbildung zum Überleben/Durchschlagen mit Abseilausbildung und Orientierungsmärschen (auch bei Nacht).« Die Marine, die am Donnerstag ihr Herbstmanöver »Northern Coasts« in der Ostsee absagte, bereite eine multinationale Übung in kleinerem Rahmen im Ostseeraum für den September vor, sagte Vogler.

Im »Gefechtsübungszentrum Heer« im sachsen-anhaltinischen Gardelegen bereiten sich derzeit Soldaten auf ihren Auftrag in Litauen vor, was das Ministerium Vogler zufolge ebenfalls unterschlage. Unter der Überschrift »Mit Schutzmaßnahmen die Einsatzbereitschaft aufrechterhalten« wirbt die Bundeswehr auf ihrer Homepage für das Ausbildungsvorhaben. »Unser Ziel ist unter Minimierung des Risikos der Ausbreitung von Covid-19 die Einsatzbereitschaft des Heeres und damit auch der gesamten Bundeswehr aufrechtzuerhalten«, wird Oberst Michael Knoke zitiert, der das Zentrum leitet. So seien etwa mehr als 10.000 Mund-Nase-Schutzmasken sowie Desinfektionsmittel beschafft worden.

Für die Linke-Politikerin sind das »bloße Schutzbehauptungen«. Als Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) am Montag in Leipzig Masken aus China in Empfang nahm, hatten sich Medienvertreter dicht gedrängt und ohne Mundschutz um die Ministerin geschart. »Wie so oft stinkt der Fisch vom Kopf«, kommentierte Vogler. Die »ohnehin nutzlosen Kriegsspiele« seien sofort einzustellen. »Wenn Jugendliche nicht ins Ferienlager und Familien nicht zur Hochzeit ihrer Verwandten dürfen, kann auch das Militär nicht weiter in Großgruppen durchs Land ziehen«, so die Abgeordnete.


Beobachtungen aus Sachsen-Anhalt: