Während die einen die Militärübung in Weißwasser heftig kritisieren, freuen sich die anderen über Live-Musik und Eislauf in der Eisarena.
Ein lauter Knall hat am Samstagnachmittag so manchen Anwohner in Weißwasser aus dem Mittagsschlaf gerissen. Wie am Sonntag auf Nachfrage Bundeswehrsprecher Eric Gusenburger bestätigt, sind von einem US-Panzer, der per Zug aus Richtung Cottbus zum Truppenübungsplatz Oberlausitz (TÜP) gebracht worden war, Kettenbleche gegen die Bahnhofsbrücke in Weißwasser geschlagen. „Die Deutsche Bahn, die US-Army, die Bundespolizei sowie die örtlichen Behörden sind eingebunden“, sagt der Sprecher. Die Brücke und die B 156 ist seit Samstagnachmittag gesperrt – als Vorsichtsmaßnahme, wie es hieß.. „Am Montag kommen Ingenieure und prüfen die Statik“, so Weißwassers Oberbürgermeister Torsten Pötzsch (Klartext). Für die Info-Veranstaltung des Freistaates und der US-Army am Sonntagnachmittag in Weißwasser ein denkbar ungünstiger Vorfall. In die Eisarena nämlich hatte man geladen, um die Einwohner zu informieren und bei freien Eislauf und Unterhaltung mit der „Nato Shape international Band“ auch etwas zu bespaßen.
„Es soll bei der Truppenverlegung möglichst nichts kaputtgehen“, bekräftigt Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) in der laut Rathausangaben mit über 2000 Gästen gut gefüllten Eisarena. „Und dann hörte ich von der Brücke“, räumt Kretschmer ein und sagt weiter: „Aber dort, wo Menschen arbeiten, passieren Fehler. Am Montag wird die Brücke überprüft und wenn sie nicht zu reparieren geht, bekommt Weißwasser eine neue“, sagt er. Der Applaus ist ihm gewiss. Torsten Pötzsch will ihm beim Wort nehmen, immerhin will Weißwasser schon seit Jahrzehnten eine neue Brücke…
Ganz so viel Applaus erntet Sachsens Regierungschef vor der Eisarena indessen nicht. Dort haben Linke sowie ein Friedensbündnis eine Demonstration gegen die Militärübung Defender 2020 organisiert. „Ich frage Sie, welchen Angriff hat die Nato jemals abgewehrt“, richtet sich Bill Heidenreich von der Mahnwache für Frieden aus Dresden an Kretschmer und fügt an: „Sind Sie der Meinung, dass die Nato ein Verteidigungsbündnis ist?“ Der stellt sich den Fragen und sagt: „Die Nato ist ein Verteidigungsbündnis.“ Dafür schallen „Buh-Rufe“ aus der Menge. Von Kriegstreiberei, von Provokationen gegen Russland ist hier die Rede.
Demonstranten aus Berlin und Dresden waren, neben örtlichen Vereinen und Parteien, angereist, verteilten Handzettel und schwenken Fahnen. Ernst Opitz von der Kirchgemeinde meint, „man sollte einfach mit einander reden und nicht militärisch aufrüsten“. Der Ortsverband der Linken kritisiert die Veranstaltung in der Eisarena als „Beschönigung des Kriegsmanövers“. Das „laute Säbelrasseln in Osteuropa durch die massive Truppenverlegung könne nicht durch Musik überspielt werden“, so Landtagsabgeordnete Antonia Mertsching (Linke).
Unterdessen nicken in der Eisarena die Köpfe, als die Nato-band „Y.M.C.A.“ schmettert. „Aus meiner Sicht ist der Protest legitim“, sagt TÜP-Kommandant Oberstleutnant René Pierschel. Als Soldat einer Parlamentsarmee wolle er keinen Krieg. Das betont auch Kretschmer: „Manchmal vergisst man es, aber wer keinen Krieg will, sind die Soldaten. Sie wären nämlich zuerst betroffen.“ OB Pötzsch meint, die Menschen haben ein Recht darauf, zu Defender 2020 informiert zu werden, es sei „gelebte Demokratie, dass man sich heute informieren und demonstrieren kann“.
An einem Infostand wird Material zu dem Manöver zur Verfügung gestellt, Soldaten beantworten Fragen. Elke Herberger, Sprecherin der US-Armee, erklärt, dass bei Nato-Gipfeln einstimmig beschlossen wurde, die „Fähigkeit der Verlegung von großen Verbänden über große Distanzen zu üben. Und diesen politischen Auftrag führen wir durch.“ Deshalb nämlich landen die Konvois nicht per Schiff in Polen, sondern in Belgien und den Niederlanden. „Wenn die Ostsee-Häfen vielleicht nicht nutzbar sind, muss geübt werden, wie es anders geht“, argumentiert sie.
Insgesamt werden 37 000 Soldaten und 20 000 Frachtgüter nach Osteuropa verlegt. Durch Sachsen und die Oberlausitz fahren Ende März (12. und 17. Kalenderwoche) 3000 Soldaten und 1500 Fahrzeuge.
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